Classicult https://www.classicult.it/de/ Dove i classici si incontrano. Cultura e culture Sun, 22 Jun 2025 20:27:48 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.8.1 https://www.classicult.it/wp-content/uploads/2018/08/cropped-tw-profilo-32x32.jpg Classicult https://www.classicult.it/de/ 32 32 Vor seiner Ausbreitung aus Afrika passte sich der Mensch an die vielfältigen Lebensräume Afrikas an https://www.classicult.it/de/vor-seiner-ausbreitung-aus-afrika-passte-sich-der-mensch-an-die-vielfaeltigen-lebensraeume-afrikas-an/ https://www.classicult.it/de/vor-seiner-ausbreitung-aus-afrika-passte-sich-der-mensch-an-die-vielfaeltigen-lebensraeume-afrikas-an/?noamp=mobile#respond Wed, 18 Jun 2025 20:06:58 +0000 https://www.classicult.it/?p=309045 Vor seiner Ausbreitung aus Afrika passte sich der Mensch an die vielfältigen Lebensräume Afrikas an; neue Studie in Nature veröffentlicht

L'articolo Vor seiner Ausbreitung aus Afrika passte sich der Mensch an die vielfältigen Lebensräume Afrikas an proviene da Classicult.

]]>
Vor seiner Ausbreitung aus Afrika passte sich der Mensch an die vielfältigen Lebensräume Afrikas an

Bevor der Mensch Afrika in Richtung Eurasien verließ, erweiterte er zunächst seine ökologische Nische um Wälder und Wüsten.

African Bush Elephant - Loxodonta africana in Mana Pools National Park in Zimbabwe, standing in the green forest and eating or looking for leaves. Humans learned to thrive in a variety of African environments before their successful expansion into Eurasia roughly 50,000 years ago. Picture Credits: Ondrej Pelanek and Martin Pelanek
Vor ihrer erfolgreichen Expansion nach Eurasien vor etwa 50.000 Jahren lernten die Menschen, in einer Vielzahl von afrikanischen Umgebungen zu wachsen und zu leben. Bild  © Ondrej Pelanek und Martin Pelanek

Heute weiß man, dass alle Nicht-Afrikaner von einer kleinen Gruppe von Menschen abstammen, die sich vor etwa 50.000 Jahren nach Eurasien wagten. Fossile Aufzeichnungen zeigen jedoch, dass es vor dieser Zeit zahlreiche gescheiterte Ausbreitungsversuche gab, die keine erkennbaren Spuren bei lebenden Menschen hinterlassen haben.

Eine neue Studie erklärt nun erstmals, warum diese frühen Wanderungsversuche nicht gelangen. Dabei zeigt ein Team von Forschenden unter der Leitung von Prof. Eleanor Scerri vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena und Prof. Andrea Manica von der Universität Cambridge, dass die Menschen vor ihrer Ausbreitung nach Eurasien vor 50.000 Jahren begannen, verschiedene Arten von Habitaten in Afrika auf bislang unbekannte Weise zu erschließen.

„Wir stellten einen Datensatz aus archäologischen Stätten und Umweltdaten in Afrika zusammen, der die letzten 120.000 Jahre abdeckt. Mithilfe von Methoden aus der Ökologie, versuchten wir die Veränderungen in den ökologischen Nischen des Menschen, also die ihm nutzbaren und förderlichen Lebensräume, nachzuvollziehen“, sagt Dr. Emily Hallet, Co-Autorin der Studie von der Loyola University Chicago.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Mensch seine Nische vor 70.000 Jahren signifikant ausdehnte, was durch eine verstärkte Nutzung verschiedener Habitate, wie Wäldern und Wüsten, angetrieben wurde“, fügt Dr. Michela Leonardi, eine der Hauptautorinnen der Studie vom Natural History Museum in London hinzu.

„Das ist ein Schlüsselergebnis. Vorherige Ausbreitungen geschahen vermutlich während günstiger Zeitfenster mit vermehrten Niederschlägen in der Arabische Wüste wodurch ‚grüne Korridore‘ für die Menschen entstanden, um nach Eurasien zu gelangen. Vor etwa 70.000-50.000 Jahren war der einfachste Weg aus Afrika jedoch schwieriger als in früheren Perioden und dennoch war diese Ausbreitung beträchtlich und letztlich erfolgreich“, erklärt Prof. Manica.

Für die einzigartig erfolgreiche Verbreitung des Menschen aus Afrika wurden viele Erklärungsversuche aufgestellt, von technischen Innovationen bis hin zu Immunität durch eine Vermischung mit eurasischen Hominini. Doch weder konnten diese Innovationen bislang nachgewiesen werden, noch scheinen Vermischungen der Schlüssel zum Erfolg bei älteren, aber gescheiterten Wanderungsversuchen gewesen zu sein.

Rothschild's giraffe - Giraffa camelopardalis rothschildi subspecies of the Northern giraffe, also Baringo or Nubian or as the Ugandan giraffe, portrait of long neck mammal from Africa in herd. Photo Credits: Ondrej Pelanek and Martin Pelanek
Vor seiner Ausbreitung aus Afrika passte sich der Mensch an die vielfältigen Lebensräume Afrikas an; neue Studie in Nature veröffentlicht. Vor ihrer erfolgreichen Expansion nach Eurasien vor etwa 50.000 Jahren lernten die Menschen, in einer Vielzahl von afrikanischen Umgebungen zu wachsen und zu leben. Foto © Ondrej Pelanek und Martin Pelanek

Hier zeigen die Forschenden jedoch, dass der Mensch das ihm zur Verfügung stehende Spektrum an Lebensräumen in Afrika, vor seiner Ausbreitung über den Kontinent hinaus, stark vergrößerte. Diese Vergrößerung der menschlichen Nische war möglicherweise das Ergebnis einer positiven Rückkopplung durch vermehrte Kontakte und kulturellen Austausch, was größere Verbreitungsgebiete und die Überwindung geografischer Barrieren ermöglichte.

„Anders als frühere Menschen, die sich aus Afrika ausbreiteten, verfügten diese Gruppen, die vor etwa 60-50 Tausend Jahren nach Eurasien zogen, über eine ausgeprägte ökologische Flexibilität, um mit klimatisch schwierigen Lebensräumen zurechtzukommen“, so Prof. Scerri, „Dies war wahrscheinlich der entscheidende Mechanismus für den Anpassungserfolg unserer Spezies außerhalb ihrer afrikanischen Heimat.“

Die Forschung wurde finanziell unterstützt durch die Max-Planck-Gesellschaft, den europäischen Forschungsrat und den Leverhulme Trust.

Hallett, E.Y., Leonardi, M., Cerasoni, J.N. et al., Major expansion in the human niche preceded out of Africa dispersal, Nature (2025), DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-025-09154-0

Pressemitteilung von der Max-Planck-Institut für Geoanthropologie

L'articolo Vor seiner Ausbreitung aus Afrika passte sich der Mensch an die vielfältigen Lebensräume Afrikas an proviene da Classicult.

]]>
https://www.classicult.it/de/vor-seiner-ausbreitung-aus-afrika-passte-sich-der-mensch-an-die-vielfaeltigen-lebensraeume-afrikas-an/feed/ 0
Das AutArch-Projekt: Archäologie im Zeitalter von Big Data https://www.classicult.it/de/das-autarch-projekt-archaeologie-im-zeitalter-von-big-data/ https://www.classicult.it/de/das-autarch-projekt-archaeologie-im-zeitalter-von-big-data/?noamp=mobile#respond Thu, 12 Jun 2025 20:30:38 +0000 https://www.classicult.it/?p=308265 Das AutArch-Projekt: Eine KI-gestützte Software extrahiert automatisch Daten aus archäologischen Zeichnungen und Fotografien

L'articolo Das AutArch-Projekt: Archäologie im Zeitalter von Big Data proviene da Classicult.

]]>
Das AutArch-Projekt: Archäologie im Zeitalter von Big Data

KI-gestützte Software „AutArch“ extrahiert automatisch Daten aus archäologischen Zeichnungen und Fotografien / In Bibliotheken aufbewahrte Funde tragen zu digitaler Revolution in der Archäologie bei

Beispiel für die Objekterkennung: Fundstätte Vliněves (Tschechische Republik) aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. (© Klein et al. 2025) Example of the object detection result for one page of catalogue (here: third millennium BC site of Vliněves, Czech Republic). Copyright: Klein et al. 2025
Beispiel für die Objekterkennung: Fundstätte Vliněves (Tschechische Republik) aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. (© Klein et al. 2025)

Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben gemeinsam mit internationalen Partnern eine Software namens „AutArch“ entwickelt, um alte archäologische Sammlungen neu zu erschließen. Die Software nutzt die Leistungsfähigkeit von Künstlicher Intelligenz und Big Data und könnte die archäologische Datenanalyse revolutionieren. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden kürzlich im renommierten Wissenschaftsmagazin Journal of Archaeological Science veröffentlicht. AutArch ist als Open-Source-Software auf GitHub und Zenodo verfügbar.

AutArch findet und korreliert Informationen in Katalogen

Archäologinnen und Archäologen stehen oft vor großen Herausforderungen, wenn sie versuchen, neue Entdeckungen mit Informationen aus alten Büchern zu verknüpfen: Wie lassen sich die Erkenntnisse aus 200 Jahren archäologischer Forschung mit neuen Daten kombinieren? AutArch eröffnet hier gänzlich neue Wege. Die Basis bilden Neuronale Netze, die von den Forschenden darauf trainiert wurden, gängige archäologische Objekte wie Gräber, menschliche Überreste, Keramik und Steinwerkzeuge selbstständig zu erkennen, zu analysieren und miteinander in Beziehung zu setzen. AutArch kann gesuchte Daten also nicht nur aufspüren, sondern sie auch kombinieren, um aussagekräftige Informationen zu extrahieren.

„Bei der Analyse eines Grabes beispielsweise detektiert die Software den Nordpfeil und den angegebenen Maßstab – und kann daraus die tatsächliche Größe des Grabes und seine Ausrichtung errechnen“,

konkretisiert Dr. Maxime Brami, der das Projekt an der JGU leitet. Archäologinnen und Archäologen können auf diese Weise riesige Mengen an Daten, die über verschiedene Publikationen und Museen verteilt sind, automatisch auswerten lassen. So können sie spezifische Fragen zur Vergangenheit beantworten und diese Informationen mit modernen Daten vergleichen, beispielsweise mit 3-D-Scans von Artefakten in Museumssammlungen.

„Bisher mussten Forschende jede einzelne dieser Informationen manuell extrahieren, Bilder passend ausrichten und neu formatieren“,

erklärt der Erstautor der Studie Kevin Klein, der die Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie an der JGU als Softwareentwickler unterstützt. AutArch automatisiert den gesamten Prozess. Obwohl dafür eine KI zum Einsatz kommt, ist AutArch keine Black Box: Eine benutzerfreundliche Oberfläche ermöglicht es Forschenden, die automatisch extrahierten Daten zu überprüfen und anzupassen, Genauigkeit und Nachvollziehbarkeit sind also stets gewährleistet.

Die Ausrichtung von Verstorbenen im Grab lässt sich aus Grabzeichnungen ableiten. Beispielsweise wurden Männer und Frauen im 3. Jahrtausend v. Chr. in Mitteleuropa vielfach in entgegengesetzter Richtung bestattet. Dies lässt sich anhand von 100 Schnurkeramikgräbern und 66 Glockenbechergräbern mit Skeletten aus der Tschechischen Republik zeigen, die mit AutArch analysiert wurden. (© Klein et al. 2025) Burial orientations can be automatically retrieved from grave drawings. For instance, archaeological cultures from the third millennium BC in Central Europe buried men and women in opposite directions. This can be shown for 100 Corded Ware graves and 66 Bell Beaker graves with skeletons that have a discernible orientation from the Czech Republic analysed with AutArch. Copyright: Klein et al. 2025
Das AutArch-Projekt: Eine KI-gestützte Software extrahiert automatisch Daten aus archäologischen Zeichnungen und Fotografien. Die Ausrichtung von Verstorbenen im Grab lässt sich aus Grabzeichnungen ableiten. Beispielsweise wurden Männer und Frauen im 3. Jahrtausend v. Chr. in Mitteleuropa vielfach in entgegengesetzter Richtung bestattet. Dies lässt sich anhand von 100 Schnurkeramikgräbern und 66 Glockenbechergräbern mit Skeletten aus der Tschechischen Republik zeigen, die mit AutArch analysiert wurden. (© Klein et al. 2025)

Breite Anwendung und Skalierung der Software

AutArch ist skalierbar und kann somit den Anforderungen des stetig wachsenden Forschungsfelds der Digital Humanities  gerecht werden. Paläolithiker Antoine Muller, Postdoc an der Universität Bergen und einer der Autoren der Studie, erklärt:

„Die Methodik ist auf praktisch jedes Material anwendbar, solange Form, Größe oder Ausrichtung eines Objekts eine technologische, funktionale oder zeitliche Bedeutung haben.“

Die Software lässt sich nicht nur auf jedes Material anwenden, sondern wächst auch mit den steigenden Anforderungen mit.

„Diese Entwicklung stellt einen wichtigen Fortschritt bei der Anwendung Künstlicher Intelligenz in der archäologischen Forschung dar“, resümiert Brami. „Sie hat das Potenzial, den Datenzugriff und die Datenanalyse grundlegend zu verändern.“

AutArch kann auch die Umrisse von Artefakten aus Katalogen extrahieren, beispielsweise von Pfeilspitzen. Auf diese Weise ermöglicht die Software verschiedene Formanalysen. (© Klein et al. 2025) The AutArch workflow can also extract the outline of artefacts from catalogues, such as arrowheads, allowing for various shape analyses. Copyright: Klein et al. 2025
AutArch kann auch die Umrisse von Artefakten aus Katalogen extrahieren, beispielsweise von Pfeilspitzen. Auf diese Weise ermöglicht die Software verschiedene Formanalysen. (© Klein et al. 2025)

Das AutArch-Projekt ist ein interdisziplinäres Gemeinschaftsprojekt von Informatikerinnen und Informatikern und Archäologinnen und Archäologen aus ganz Europa. Prof. Dr. Ralf Lämmel, Informatiker der Universität Koblenz, betreute beispielsweise die Implementierung der maschinellen Lernverfahren und die statistische Validierung der Ergebnisse. Initiiert wurde das Projekt von Dr. Maxime Brami mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit weitergehender Förderung durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union.

AutArch ist als Open-Source-Software auf GitHub und Zenodo verfügbar:
https://zenodo.org/records/15369892
https://github.com/kevin-klein/autarch

Veröffentlichung:

K. Klein et al., An AI-assisted workflow for object detection and data collection from archaeological catalogues, Journal of Archaeological Science, 3. Juni 2025, DOI: 10.1016/j.jas.2025.106244

Pressemitteilung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz – JGU

L'articolo Das AutArch-Projekt: Archäologie im Zeitalter von Big Data proviene da Classicult.

]]>
https://www.classicult.it/de/das-autarch-projekt-archaeologie-im-zeitalter-von-big-data/feed/ 0
2.500 Jahre Menschheits- und Genetikgeschichte an der Küste Papua-Neuguineas https://www.classicult.it/de/2-500-jahre-menschheits-und-genetikgeschichte-an-der-kueste-papua-neuguineas/ https://www.classicult.it/de/2-500-jahre-menschheits-und-genetikgeschichte-an-der-kueste-papua-neuguineas/?noamp=mobile#respond Thu, 05 Jun 2025 20:33:05 +0000 https://www.classicult.it/?p=307682 2.500 Jahre Menschheits- und Genetikgeschichte an der Küste Papua-Neuguineas; eine neue Studie in Nature Ecology and Evolution

L'articolo 2.500 Jahre Menschheits- und Genetikgeschichte an der Küste Papua-Neuguineas proviene da Classicult.

]]>
2.500 Jahre Menschheits- und Genetikgeschichte an der Küste Papua-Neuguineas

Eine neue Studie zeigt die zentrale Bedeutung der regionalen Ausbreitung und lokalen Interaktionen an der Küste Papua-Neuguineas

Auf den Punkt gebracht

  • 2.500 Jahre Menschheitsgeschichte in Papua-Neuguinea: Die ersten alten Genome aus Papua-Neuguinea und dem Bismarck-Archipel erweitern durch den genetischen Blickwinkel unser Verständnis früher Migrationen über den Ozean und wie Menschen im Pazifik in der Vergangenheit interagierten.
  • Unterschiedliche Einflussbereiche damals und heute: Verschiedene kulturelle und genetische Gruppen lebten über lange Zeiträume hinweg nebeneinander, ohne sich zu vermischen. Das heutige Mosaik verschiedener Sprachen und Kulturen entstand vermutlich schon vor 650 Jahren, als sich Netzwerke nach einer Zeit schwieriger Umweltbedingungen neu sortierten. Die Studie gibt neue Einblicke in die komplexe Besiedlungsgeschichte dieser frühen Gemeinschaften und regionale Unterschiede.
  • Interdisziplinärer Ansatz: Die Kombination von alter DNA und Erkenntnissen aus Archäologie und Linguistik liefert ein ganzheitlicheres Bild davon, wie Genetik, Kultur und Umwelt die reiche Vielfalt der Gesellschaften im Pazifik beeinflusst haben.

In der zerklüfteten Landschaft Papua-Neuguineas, wo mehr als 800 Sprachen gesprochen werden, wirft eine bemerkenswerte Entdeckung neues Licht auf eine der bemerkenswertesten Migrationen der Menschheitsgeschichte. In einer neuen Studie hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig die ersten alten Genome (aDNA) aus Papua-Neuguinea und dem Bismarck-Archipel entschlüsselt. Den Forschenden ist es gelungen, genetische Erkenntnisse aus einer ebenso kulturreichen wie historisch bedeutsamen Region zu gewinnen.

Die Studie kombiniert alte DNA mit linguistischen Einsichten und neuen Erkenntnissen zur Ernährung in der Vergangenheit und zeichnet damit ein lebendiges Bild der vorkolonialen Gesellschaften, die einst in den Küstengebieten Papua-Neuguineas lebten. Neuguinea, das vor über 50.000 Jahren besiedelt wurde, diente als wichtiger Ausgangspunkt für frühe Seefahrten zu den entferntesten Inseln des Pazifiks. Dieses Kapitel der Menschheitsgeschichte ist geprägt von außergewöhnlichen navigatorischen Leistungen.

The new study combines ancient DNA analysis with archaeological and linguistic findings. Together, they paint a vivid picture of the pre-colonial societies that once inhabited the country's coastal regions. Illustration by Papua New Guinean artist Arison Kul. © Arison Kul for MPI-EVA
2.500 Jahre Menschheits- und Genetikgeschichte an der Küste Papua-Neuguineas; eine neue Studie in Nature Ecology and Evolution. Die neue Studie kombiniert alte DNA mit Erkenntnissen aus Archäologie und Linguistik. Sie zeichnet ein lebendiges Bild der vorkolonialen Gesellschaften, die einst in den Papua Neuguineas Küstengebieten lebten. Illustration des Papua-Neuguineanischen Künstlers Arison Kul. © Arison Kul für MPI-EVA

Der Lapita-Kulturkomplex und die frühen Pioniere des Pazifikraums

Vor rund 3.000 Jahren wurde der Bismarck-Archipel zur Wiege der Lapita-Kultur. Die Seefahrer dieser Kultur waren für ihre kunstvollen Töpferwaren und ihren Nutzpflanzenanbau bekannt und unternahmen beeindruckende Reisen, die sie mehrere Tausend Kilometer über den offenen Ozean bis nach Vanuatu, Tonga und Samoa führten. Das genetische Erbe dieser frühen Pioniere des Pazifiks und der Inseln, die einst ihre Heimat waren, blieb jedoch bis heute unerforscht.

„Unsere Ergebnisse sind ein bedeutender Meilenstein in unserem Verständnis der genetischen Geschichte Papua-Neuguineas“, sagt Dylan Gaffney, Archäologe und Co-Autor der Studie. „Zum ersten Mal verfügen wir über direkte genetische Belege von Menschen, die diese Region in der Vergangenheit bewohnten. Diese Genome ermöglichen uns, das Verständnis der Geschichte des Pazifikraums zu erweitern.“

Ein Nebeneinander Leben im Bismarck-Archipel

The 2009 excavation on Watom Island, Bismarck Archipelago, Papua New Guinea. Photo Credits: © Rebecca Kinaston
2.500 Jahre Menschheits- und Genetikgeschichte an der Küste Papua-Neuguineas; eine neue Studie in Nature Ecology and Evolution. Ausgrabungsarbeiten auf der Insel Watom im Bismarck-Archipel, Papua-Neuguinea, in 2009. Foto © Rebecca Kinaston

Auf der Insel Watom im Bismarck-Archipel fanden Missionare Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Töpferwaren im Lapita-Stil. Eines der beeindruckendsten Ergebnisse der Studie zeigt, dass Watom auch von Individuen mit vollständig papuanischen genetischen Merkmalen bewohnt wurde. Alle auf der Insel bei Ausgrabungsarbeiten entdeckten Individuen sind jünger als die ersten Lapita-Keramik Funde. Eines dieser Individuen weist zudem einen seltenen Fall kultureller Schädelmodifikation auf – einer absichtlichen Veränderung der Schädelform. Die Ergebnisse zeigen, dass die Insel durch genetisch und kulturell unterschiedliche Gruppen bewohnt war.

Späte Vermischung

Die Studie betont auch den Einfluss von Migrationen und Interaktionen auf die genetische Zusammensetzung früher Gemeinschaften. Seit der Zeit vor etwa 2.100 Jahren weisen die genetischen Profile der Individuen unterschiedliche Anteile Papuanischer und Asiatischer Herkunft auf, die im Zusammenhang mit der austronesischen Expansion stehen.

„Unsere Analyse zeichnet ein faszinierendes Bild der frühesten Begegnungen im Bismarck-Archipel“, erklärt Co-Autorin Rebecca Kinaston. „Trotz der gemeinsamen Besiedlung scheinen sich die verschiedenen Gruppen lange Zeit nicht vermischt zu haben, was für menschliche Begegnungen eher ungewöhnlich ist.“

Die Tatsache, dass es lange Zeit nicht zum genetischen Austausch kam, sowie die Anwesenheit von Menschen mit papuanischem Herkunftsprofil geben Aufschluss über eine umstrittene Frage der pazifischen Menschheitsgeschichte: Kamen die ersten Siedlerinnen und Siedler auf den abgelegenen Inseln West-Ozeaniens „unvermischt” an und haben sich erst später mit Menschen aus Neuguinea vermischt? Die neuen Erkenntnisse stützen frühere Studien, die dieses Szenario für wahrscheinlich halten, und sie geben Aufschluss über die Seefahrerkünste der papuanischen Vorfahren, die auch die weite Reise nach Vanuatu antraten, wo ihre Anwesenheit vor 2.600 belegt ist.

Besiedlung der Marianen-Inseln

Ein Individuum liefert neue Erkenntnisse zur Besiedlung der nördlich von Papua-Neuguinea gelegenen Marianen-Inseln. Das genetische Profil dieser Person lässt schließen, dass die Marianen wahrscheinlich von südostasiatischen Inseln aus besiedelt wurde. Diese Route erforderte das Segeln gegen vorherrschende Winde und Strömungen und schließt die einfachere Passage aus den nordöstlichen Inseln Neuguineas aus.

„Fehlende alte Genome aus den Philippinen und Taiwan lassen noch etwas Ungewissheit. Nichtsdestotrotz bestätigen unsere Ergebnisse die bemerkenswerten Navigationsfähigkeiten der frühen Besiedlerinnen und Besiedler der Marianen“, sagt Cosimo Posth, einer der Autoren der Studie.

Die Analyse zweier Gemeinschaften, die vor 500 bis 150 Jahren an der Südküste Papua-Neuguineas lebten und geografisch nah beieinander lagen, erwies sich als besonders interessant. Überraschenderweise hörten ihre Vorfahren vor 650 Jahren auf, sich – zumindest genetisch – auszutauschen, obwohl es keine geografischen Barrieren gab. Diese genetische Trennung lässt darauf schließen, dass die Gemeinschaften durch unterschiedliche Interaktionsbereiche und kulturelle Einflüsse geprägt wurden. Das Datieren solcher genetischer Trennungen erweitert unser Verständnis für die Entstehung alter Handelsnetzwerke und sozialer Dynamiken in der Region.

Die Rolle der Umwelt bei der kulturellen Diversifizierung

„Unsere Forschung verdeutlicht, wie das komplexe Zusammenspiel von Genetik, Kultur und Umwelt die Menschheitsgeschichte prägt“, sagt Johannes Krause, Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Die genetische Trennung zeigt sich nach einer Zeit schwieriger klimatischer Umweltbedingungen, in der Siedlungsaktivitäten zunahmen und regionale Handelsnetzwerke wieder entstanden. Dies unterstreicht die Bedeutung von Umweltfaktoren für die Entstehung kultureller Vielfalt.“

Angesichts der klimatischen und topografischen Herausforderungen in Papua-Neuguinea ist die Gewinnung alter DNA aus dieser Region besonders bemerkenswert. Das heiße und feuchte tropische Klima ist äußerst ungünstig für den Erhalt organischer Materialien, darunter auch DNA. Gleichzeitig haben mehrere Kolonialherrschaften die kulturelle, genetische und sprachliche Landschaft dieser Region verändert. Die Erforschung der Menschheitsgeschichte Papua-Neuguineas anhand alter Genome ermöglicht nun einen Einblick in die bisher verborgene Vergangenheit dieser kulturell vielfältigen und historisch reichen Gebiete.

Interdisziplinärer Ansatz

„Diese Studie unterstreicht die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit bei der Erforschung der Geheimnisse der Menschheitsgeschichte“, fasst die leitende Autorin Kathrin Nägele zusammen. „Durch die Kombination archäologischer Daten mit modernen genetischen Analysen und unter Einbeziehung mündlicher Überlieferungen können wir ein umfassenderes Bild unserer gemeinsamen Vergangenheit rekonstruieren.“

Die Veröffentlichung dieser alten Genome ist ein wichtiger Schritt, um die genetische Vielfalt und historische Dynamik Papua-Neuguineas besser zu verstehen. Sie bildet die Grundlage für weitere Forschungen, die zweifellos neue Erkenntnisse über die Ursprünge der kulturellen und sprachlichen Vielfalt im Pazifikraum liefern werden.

Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig

L'articolo 2.500 Jahre Menschheits- und Genetikgeschichte an der Küste Papua-Neuguineas proviene da Classicult.

]]>
https://www.classicult.it/de/2-500-jahre-menschheits-und-genetikgeschichte-an-der-kueste-papua-neuguineas/feed/ 0
Genetische Spurensuche: Kolumbiens frühe Jäger und Sammler verschwanden vollständig https://www.classicult.it/de/genetische-spurensuche-kolumbiens-fruehe-jaeger-und-sammler-verschwanden-vollstaendig/ https://www.classicult.it/de/genetische-spurensuche-kolumbiens-fruehe-jaeger-und-sammler-verschwanden-vollstaendig/?noamp=mobile#respond Fri, 30 May 2025 20:07:54 +0000 https://www.classicult.it/?p=307209 Genetische Spurensuche: Kolumbiens frühe Jäger und Sammler verschwanden vollständig – laut einer neuen Studie in Science Advances

L'articolo Genetische Spurensuche: Kolumbiens frühe Jäger und Sammler verschwanden vollständig proviene da Classicult.

]]>
Genetische Spurensuche: Kolumbiens frühe Jäger und Sammler verschwanden vollständig

Erkenntnisse zur Besiedelung Südamerikas – Forschende aus Tübingen und Bogotá untersuchen Erbgut aus dem alten Kolumbien – frühe Population durch spätere Migration aus Zentralamerika ersetzt

Der Mensch besiedelte Südamerika von Norden kommend. Auf dem Gebiet des heutigen Kolumbiens betraten die ersten Jäger und Sammler den Kontinent, um sich von dort weiter auszubreiten. Genetische Hinweise auf eine bisher unbekannte frühe Population fand jetzt ein internationales Forschungsteam der Universität Tübingen, des Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment und der Universidad Nacional de Colombia. Diese frühen Siedler des Altiplano, der Hochebene um Bogotá, die auf die Zeit vor 6.000 Jahren datiert werden, stellen eine bisher noch nicht beschriebene Population dar. Sie verschwand vor spätestens 2.000 Jahren und wurde von einer zweiten Migration aus Zentralamerika ersetzt. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.

Panoramic view of the Altiplano, the high plains around Bogotá. Photo Credits: William Usaquen/Universidad Nacional de Colombia
Panoramablick auf das Altiplano, die Hochebene um Bogotá. Foto: William Usaquen/Universidad Nacional de Colombia

Das Forschungsteam untersuchte das Erbgut von 21 Individuen aus fünf archäologischen Ausgrabungsstätten in der kolumbianischen Hochebene.

„Dabei handelt es sich um die ersten jemals veröffentlichten menschlichen Genomdaten aus Kolumbien“,

erläutert Professor Cosimo Posth von der Universität Tübingen, Seniorautor der Studie. Die Genproben wurden aus Knochen und Zähnen gewonnen und decken einen Zeitraum von fast 6.000 Jahren ab, bis kurz vor Beginn der spanischen Kolonisierung. Die ältesten Individuen stammen aus der Ausgrabungsstätte Checua, nördlich von Bogotá, auf einer Höhe von rund 3.000 Metern.

Vollständiger Wechsel der Bevölkerung

Das genetische Material aus der Ausgrabung in Checua gehört zu Individuen aus einer vergleichsweise kleinen Population von Jägern und Sammlern auf dem Altiplano.

Genetische Spurensuche: Kolumbiens frühe Jäger und Sammler verschwanden vollständig – laut einer neuen Studie in Science Advances. Skelette zweier Jäger- und Sammlerindividuen, die in der archäologischen Stätte von Checua (Bogotá Altiplano) ausgegraben wurden. Foto: Ana María Groot/Universidad Nacional de Colombia The skeletons of two hunter-gatherer individuals excavated at the Checua archaeological site (Bogotá Altiplano). Photo Credits: Ana María Groot/Universidad Nacional de Colombia
Genetische Spurensuche: Kolumbiens frühe Jäger und Sammler verschwanden vollständig – laut einer neuen Studie in Science Advances. Skelette zweier Jäger- und Sammlerindividuen, die in der archäologischen Stätte von Checua (Bogotá Altiplano) ausgegraben wurden. Foto: Ana María Groot/Universidad Nacional de Colombia

 „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Checua-Individuen von der frühesten Population abstammen, die sich innerhalb kürzester Zeit über Südamerika verbreitet und ausdifferenziert hat“,

sagt Kim-Louise Krettek vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment, Erstautorin der Studie. Was die Forschenden überraschte: Das Erbgut dieser Menschen verschwand vollständig aus der Bevölkerung und ist bereits bei etwa 2.000 Jahre alten Individuen aus der Region nicht mehr nachweisbar.

„Wir konnten keine Nachfahren dieser frühen Jäger und Sammler der kolumbianischen Hochebene belegen – das Genmaterial wurde nicht weitergegeben. Das heißt: Im Gebiet um Bogotá kam es zu einem vollständigen Wechsel der Bevölkerung“, sagt Krettek.

Die genetischen Untersuchungen legten den Schluss nahe, dass die nachfolgende Kultur des Altiplanos durch Menschen aus zentralamerikanischen Regionen dorthin gelangte.

„Die Menschen dieser zweiten Migrationsbewegung brachten neben technologischen Entwicklungen, wie der Keramik, wahrscheinlich auch die Chibcha-Sprachen mit ins heutige Kolumbien. Ableger dieser Sprachfamilie werden heute noch in Zentralamerika gesprochen“, erklärt Mitautorin Andrea Casas-Vargas von der Universidad Nacional de Colombia.

„Dass die genetischen Spuren einer ursprünglichen Population ganz verschwinden, ist ungewöhnlich, insbesondere in Südamerika“,

sagt Casas-Vargas. Bisher sei in der Bevölkerung der Anden und des Südkegels von Südamerika über lange Zeit-räume und kulturelle Veränderungen hinweg eine starke genetische Kontinuität beobachtet worden.

„So war es auch in der auf die Jäger und Sammler folgenden Populationen im kolumbianischen Altiplano bis zum Eintreffen der europäischen Eroberer vor etwa 500 Jahren, obwohl es in diesem Gebiet mit der Entwicklung der Muisca-Kultur einen massiven kulturellen Wandel gab“, berichtet Casas-Vargas.

Genetische Geschichte ist keine kulturelle Geschichte

„Fragen von Geschichte und Abstammung berühren einen sensiblen Bereich des Selbstverständnisses und der Identität der indigenen Bevölkerung“, sagt Cosimo Posth. „Die genetische Disposition darf aber nicht mit der kulturellen Identität gleichgesetzt werden.“

Das Forschungsteam aus Tübingen und Bogotá hat sich deshalb vor Abschluss der Arbeit mit der Guardia Indígena Muisca, lebenden Nachfahren der Muisca-Kultur in der Hochebene von Bogotá, ausgetauscht.

„Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit Fragen befassen, die für indigene Gemeinschaften in Kolumbien relevant sind, respektieren und schätzen wir den Reichtum des gemeinschaftsbasierten Wissens“, sagt Posth.

Community engagement of study co-authors with the Guardia Indígena Muisca from the Bogotá Altiplano to discuss the research results and their presentation in a way that respects local history, values and traditions. Photo Credits: Andrea Casas-Vargas/Universidad Nacional de Colombia
Die Studienautorinnen und -autoren im Austausch mit der Guardia Indígena Muisca aus dem Altiplano von Bogotá, um die Forschungsergebnisse und ihre Präsentation unter Berücksichtigung der lokalen Geschichte, Werte und Traditionen zu diskutieren. Foto: Andrea Casas-Vargas/Universidad Nacional de Colombia

Originalveröffentlichung:

Kim-Louise Krettek, Andrea Casas-Vargas, Alex Mas-Sandoval, Leonardo Arias Alvis, Ella Reiter, Julie Moncada Madero, Matthias Urban, Juan Camilo Niño Vargas, William Usaquén, Jose Vicente Rodríguez Cuenca, Cosimo Posth, A 6000-year-long genomic transect from the Bogotá Altiplano reveals multiple genetic shifts in the demographic history of Colombia, Science Advances, DOI: https://doi.org/10.1126/sciadv.ads6284 

Pressemitteilung der Universität Tübingen

L'articolo Genetische Spurensuche: Kolumbiens frühe Jäger und Sammler verschwanden vollständig proviene da Classicult.

]]>
https://www.classicult.it/de/genetische-spurensuche-kolumbiens-fruehe-jaeger-und-sammler-verschwanden-vollstaendig/feed/ 0
Früheste Verwendung der medizinischen und psychoaktiven Pflanze Steppenraute im eisenzeitlichen Arabien identifiziert https://www.classicult.it/de/frueheste-verwendung-der-medizinischen-und-psychoaktiven-pflanze-steppenraute-im-eisenzeitlichen-arabien-identifiziert/ https://www.classicult.it/de/frueheste-verwendung-der-medizinischen-und-psychoaktiven-pflanze-steppenraute-im-eisenzeitlichen-arabien-identifiziert/?noamp=mobile#respond Fri, 23 May 2025 19:18:43 +0000 https://www.classicult.it/?p=306063 Früheste Verwendung der medizinischen und psychoaktiven Pflanze Steppenraute im eisenzeitlichen Arabien identifiziert

L'articolo Früheste Verwendung der medizinischen und psychoaktiven Pflanze Steppenraute im eisenzeitlichen Arabien identifiziert proviene da Classicult.

]]>
Früheste Verwendung der medizinischen und psychoaktiven Pflanze Steppenraute im eisenzeitlichen Arabien identifiziert

Neue Studie nimmt historisches Wissen über Heilpflanzen und Psychotropika mithilfe von Metabolic Profiling unter die Lupe

Eine neue Studie, veröffentlicht in Communications Biology, liefert den bislang frühesten Nachweis für die Verwendung der medizinischen und psychoaktiven Pflanze Peganum harmala – auch bekannt als Steppenraute oder Harmal – als Rauchmittel in der Antike. Die Ergebnisse der Studie liefern bisher unbekannte Einblicke in frühe therapeutische Praktiken in Arabien und zeigen, dass einheimische Pflanzen bereits vor 2700 Jahren gezielt aufgrund ihrer bio- und psychoaktiven Wirkung genutzt wurden.

Eines der historischen Rauchutensilien, die beim Rauchen und der Inhalation von Harmal verwendet wurden. Foto © Hans Sell One of the ancient fumigation devices used in the inhalation of harmal. Photo Credits: Hans Sell
Eines der historischen Rauchutensilien, die beim Rauchen und der Inhalation von Harmal verwendet wurden. Foto © Hans Sell

Unter der Leitung von Dr. Barbara Huber (Max-Planck-Institut für Geoanthropologie) und Prof. Marta Luciani (Universität Wien) sowie in Zusammenarbeit mit der Heritage Commission des saudi-arabischen Kultusministeriums, nutzten die Forscherinnen sog. Metabolic Profiling, um die organischen Rückstände, die an den Rauchutensilien verblieben waren, zu untersuchen. Die Utensilien wurden in den eisenzeitlichen Wohnhäusern der Qurayyah-Oase, die schon in der Antike für ihre verzierten Keramikgefäße bekannt war, im nordwestlichen Saudi-Arabien ausgegraben.

Die Siedlung Qurayyah im Nordwesten von Saudi-Arabien. Foto © A. M. Abualhassan The oasis settlement of Qurayyah in northwestern Saudi Arabia. Photo Credits: A. M. Abualhassan
Die Siedlung Qurayyah im Nordwesten von Saudi-Arabien. Foto © A. M. Abualhassan

„Unsere Ergebnisse stellen damit die ersten chemischen Belege für die früheste bekannte Verbrennung von Harmal, nicht nur in Arabien, sondern weltweit dar,“ so Barbara Huber, Co-Lead-Autorin der Studie. „Wissenschaftlich ist dies ein wichtiger Schritt, da wir nun besser nachvollziehen können, wie diese Gemeinschaften ihr medizinisches Wissen mit der lokalen Pflanzenwelt verbanden– sei es zur Gesundheitspflege, der Reinigung und Desinfektion von Räumen und möglicherweise auch aufgrund der psychoaktiven Wirkungen.“

Für die Studie wurde Hochleistungsflüssigkeitschromatographie-Tandem-Massenspektrometrie (HPLC-MS/MS) eingesetzt; eine leistungsstarke Analysetechnik, die den Nachweis der charakteristischen Alkaloide der Steppenraute selbst in winzigen, chemisch degradierten Proben ermöglicht.

„Durch diese Integration von biomolekularen Analysen mit archäologischen Methoden gelang es uns nicht nur, die Art der Pflanzen zu identifizieren, die die Menschen damals benutzten, sondern auch warum, wie und wo sie dies taten,“ so Prof. Marta Luciani, Ausgrabungsdirektorin in Qurayyah und Archäologin an der Universität Wien. „Das erlaubt uns einen einmaligen Einblick in botanische Praktiken, die für das damalige Leben zentral waren, archäologisch aber meist kaum erhalten bleiben.“

Getrocknete Früchte von Peganum harmala, die bereits vor 2700 Jahren für ihre therapeutische und psychoaktive Wirkung genutzt wurden. Foto © Barbara Huber Dried fruit of Peganum harmala, show here to have been already in use for its therapeutic and psychoactive properties 2,700 years ago. Photo Credits: Barbara Huber
Früheste Verwendung der medizinischen und psychoaktiven Pflanze Steppenraute im eisenzeitlichen Arabien identifiziert. Getrocknete Früchte von Peganum harmala, die bereits vor 2700 Jahren für ihre therapeutische und psychoaktive Wirkung genutzt wurden. Foto © Barbara Huber

Peganum harmala ist für seine antibakteriellen, psychoaktiven und therapeutischen Eigenschaften bekannt und wird noch heute in der traditionellen Medizin sowie zur Ausräucherung in Haushalten der Region verwendet. Die neuen Erkenntnisse unterstreichen damit auch seine seit langem bestehende kulturelle und medizinische Bedeutung.

„Die Funde belegen auch die tiefen historischen Wurzeln von traditioneller Medizin und Rauchpraktiken in Arabien. Durch die gemeinsame Forschung bewahren wir nicht nur die archäologischen Artefakte, sondern trägt auch zum Erhalt des immateriellen Kulturerbes bei – also jenes über Generationen weitergegebenen Wissens, das in den lokalen Gemeinschaften bis heute lebendig ist,“ fügt Ahmed. M Abualhassan, Mitdirektor der Heritage Commission im Qurayyah-Projekt, hinzu.

Die Bedeutung der Studie geht weit über die Archäologie hinaus und erstreckt sich auf Bereiche wie Ethnobotanik, medizinische Anthropologie, Kulturerbeforschung sowie Pharmakognosie, die sich alle mit den langfristigen Beziehungen zwischen Menschen, Heilpflanzen und natürlichen Ressourcen befassen.

Originalveröffentlichung:

Huber, B., Luciani, M., Abualhassan, A.M. et al., Metabolic profiling reveals first evidence of fumigating drug plant Peganum harmala in Iron Age Arabia, Commun Biol 8, 720 (2025), DOI: https://doi.org/10.1038/s42003-025-08096-7

Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Geoanthropologie

L'articolo Früheste Verwendung der medizinischen und psychoaktiven Pflanze Steppenraute im eisenzeitlichen Arabien identifiziert proviene da Classicult.

]]>
https://www.classicult.it/de/frueheste-verwendung-der-medizinischen-und-psychoaktiven-pflanze-steppenraute-im-eisenzeitlichen-arabien-identifiziert/feed/ 0
Sonderausgabe der Philosophical Transactions of the Royal Society B (2025) rückt den Ursprung der Domestizierung in ein neues Licht https://www.classicult.it/de/sonderausgabe-der-philosophical-transactions-of-the-royal-society-b-2025-rueckt-den-ursprung-der-domestizierung-in-ein-neues-licht/ https://www.classicult.it/de/sonderausgabe-der-philosophical-transactions-of-the-royal-society-b-2025-rueckt-den-ursprung-der-domestizierung-in-ein-neues-licht/?noamp=mobile#respond Thu, 15 May 2025 20:01:44 +0000 https://www.classicult.it/?p=306137 Sonderausgabe der Philosophical Transactions of the Royal Society B (2025) rückt den Ursprung der Domestizierung in ein neues Licht

L'articolo Sonderausgabe der Philosophical Transactions of the Royal Society B (2025) rückt den Ursprung der Domestizierung in ein neues Licht proviene da Classicult.

]]>
Sonderausgabe der Philosophical Transactions of the Royal Society B (2025) rückt den Ursprung der Domestizierung in ein neues Licht

Ein internationales Forschungsteam hinterfragt die bisherigen Annahmen über den Ursprung eines der disruptivsten Prozesse der Menschheitsgeschichte in einer neuen Sonderausgabe der Philosophical Transactions of the Royal Society B

Originalveröffentlichung:

Robert N. Spengler, Li Tang, Marta Dal Corso, Rosalind Emma Gillis, Hugo Rafael Cardoso Oliveira and Basira Mir Makhamad, Seeking consensus on the domestication concept, Philosophical Transactions of the Royal Society B, DOI: 10.1098/rstb.2024.0188 
Rita Dal Martello, Yiming V. Wang, Basira Mir Makhamad, Robert N. Spengler and Dorian Q Fuller, Contrasting diachronic regional trends in cereal grain evolution across Eurasia: a metadata analysis of linear morphometrics from the 9th millennium B.C.E. to today, Philosophical Transactions of the Royal Society B, DOI: 10.1098/rstb.2024.0193

Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Geoanthropologie

L'articolo Sonderausgabe der Philosophical Transactions of the Royal Society B (2025) rückt den Ursprung der Domestizierung in ein neues Licht proviene da Classicult.

]]>
https://www.classicult.it/de/sonderausgabe-der-philosophical-transactions-of-the-royal-society-b-2025-rueckt-den-ursprung-der-domestizierung-in-ein-neues-licht/feed/ 0
Ein monumentales Relief im Thronsaal des Nordpalasts von König Assurbanipal https://www.classicult.it/de/ein-monumentales-relief-im-thronsaal-des-nordpalasts-von-koenig-assurbanipal/ https://www.classicult.it/de/ein-monumentales-relief-im-thronsaal-des-nordpalasts-von-koenig-assurbanipal/?noamp=mobile#respond Tue, 13 May 2025 20:29:34 +0000 https://www.classicult.it/?p=304717 Im Thronsaal des Nordpalasts von König Assurbanipal in der antiken Metropole Ninive entdeckten die Archäologen große Teile eines monumentalen Reliefs

L'articolo Ein monumentales Relief im Thronsaal des Nordpalasts von König Assurbanipal proviene da Classicult.

]]>
Spektakulärer Fund in der antiken Stadt Ninive: Im Thronsaal des Nordpalasts von König Assurbanipal entdeckten die Archäologen ein monumentales Relief mit Darstellungen assyrischer Gottheiten

Ein monumentales Relief im Thronsaal des Nordpalasts von König Assurbanipal 3D-Modell des Reliefs: Die Fundstücke sind dunkelgrau markiert, der hellgraue Teil stellt eine Rekonstruktion dar, die auf den gefundenen Teilen basiert. Im Zentrum ist König Assurbanipal dargestellt. Flankiert wird er vom Gott Assur (links) und der Stadtgöttin von Ninive namens Ištar (rechts). Hinter diesen folgen jeweils ein Fisch-Genius sowie eine Stützfigur mit erhobenen Armen. | © Michael Rummel
3D-Modell des Reliefs: Die Fundstücke sind dunkelgrau markiert, der hellgraue Teil stellt eine Rekonstruktion dar, die auf den gefundenen Teilen basiert. Im Zentrum ist König Assurbanipal dargestellt. Flankiert wird er vom Gott Assur (links) und der Stadtgöttin von Ninive namens Ištar (rechts). Hinter diesen folgen jeweils ein Fisch-Genius sowie eine Stützfigur mit erhobenen Armen. | © Michael Rummel

Bei Ausgrabungen im Irak hat ein Team der Universität Heidelberg einen spektakulären Fund gemacht: Im Thronsaal des Nordpalasts von König Assurbanipal in der antiken Metropole Ninive entdeckten die Archäologen große Teile eines monumentalen Reliefs, das den Herrscher des assyrischen Reiches aus dem siebten Jahrhundert vor Christus in Begleitung zweier bedeutender Gottheiten sowie weiterer Figuren zeigt. Das Relief war auf einer mächtigen Steinplatte von fünfeinhalb Metern Länge und drei Metern Höhe angebracht, die ein Gewicht von rund zwölf Tonnen aufweist. Der Fund ist für die Wissenschaftler nicht nur wegen seiner Größe außergewöhnlich, sondern auch im Hinblick auf das Bildprogramm:

„Unter den zahlreichen Reliefdarstellungen assyrischer Paläste, die uns bekannt sind, gibt es keine Darstellung der großen Gottheiten“,

betont Prof. Dr. Aaron Schmitt vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie, der die Ausgrabungen im Nordpalast leitet.

Fragment des entdeckten Reliefs | © Schmitt
Fragment des entdeckten Reliefs | © Schmitt

Die antike Stadt Ninive, die sich im Bereich der heutigen irakischen Stadt Mossul befand, gilt als eine der wichtigsten Städte Nordmesopotamiens und entwickelte sich im späten achten Jahrhundert vor Christus unter König Sanherib zur Hauptstadt des assyrischen Weltreichs. Aaron Schmitt und sein Team forschen seit 2022 auf dem Kuyunjik-Hügel im Kernbereich des von König Assurbanipal errichteten Nordpalastes. Die Ausgrabungen sind Teil des 2018 gestarteten Heidelberger Ninive-Projekts unter Leitung von Prof. Dr. Stefan Maul, Wissenschaftler am Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients der Universität Heidelberg. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatten britische Forscher erstmals den Nordpalast des antiken Ninive untersucht und dabei großformatige Reliefs entdeckt, die heute im British Museum in London ausgestellt sind.

Im Zentrum des jetzt entdeckten Reliefs ist König Assurbanipal dargestellt, der letzte große Herrscher des assyrischen Reichs. Flankiert wird er von zwei hohen Gottheiten: dem Gott Assur und der Stadtgöttin von Ninive namens Ištar. Hinter diesen folgen jeweils ein Fisch-Genius, der den Göttern und dem Herrscher Heil und Leben spendet, sowie eine Stützfigur mit erhobenen Armen; sie ist vermutlich als ein Skorpionmensch zu rekonstruieren.

„Diese Figuren lassen darauf schließen, dass ursprünglich über dem Relief eine riesige geflügelte Sonnenscheibe angebracht war“,

erläutert Aaron Schmitt. Auf Grundlage der vor Ort gesammelten Daten werden die Wissenschaftler in den kommenden Monaten die Darstellung sowie den Fundkontext detailliert untersuchen und die Ergebnisse in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift publizieren.

Heidelberger Grabungsarbeiten im antiken Ninive | © Schmitt
Heidelberger Grabungsarbeiten im antiken Ninive | © Schmitt

Das Relief stand ursprünglich, so Prof. Schmitt, in einer Wandnische gegenüber dem Haupteingang zum Thronsaal, also am wichtigsten Ort des Palasts. Die Reliefbruchstücke haben die Heidelberger Forscherinnen und Forscher in einer mit Erde gefüllten Grube hinter dieser Nische entdeckt. Sie ist vermutlich in hellenistischer Zeit im dritten oder zweiten Jahrhundert vor Christus angelegt worden.

„Dass die Fragmente vergraben waren, ist sicherlich mit ein Grund dafür, warum die britischen Archäologen sie vor etwas mehr als hundert Jahren nicht fanden“,

vermutet Prof. Schmitt. In Absprache mit der staatlichen Antikenverwaltung des Irak (SBAH) ist geplant, das Relief mittelfristig wieder an der originalen Stelle zu platzieren und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Heidelberger Grabungsarbeiten im antiken Ninive | © Schmitt
Heidelberger Grabungsarbeiten im antiken Ninive | © Schmitt

Pressemitteilung der Universität Heidelberg

L'articolo Ein monumentales Relief im Thronsaal des Nordpalasts von König Assurbanipal proviene da Classicult.

]]>
https://www.classicult.it/de/ein-monumentales-relief-im-thronsaal-des-nordpalasts-von-koenig-assurbanipal/feed/ 0
Datierung der Schöninger Speere auf 200.000 Jahre korrigiert https://www.classicult.it/de/datierung-der-schoeninger-speere-auf-200-000-jahre-korrigiert/ https://www.classicult.it/de/datierung-der-schoeninger-speere-auf-200-000-jahre-korrigiert/?noamp=mobile#respond Mon, 12 May 2025 20:33:04 +0000 https://www.classicult.it/?p=304683 Datierung der Schöninger Speere auf 200.000 Jahre korrigiert. Älteste vollständig erhaltene Jagdwaffen aus niedersächsischem Schöningen sind rund 100.000 Jahre jünger als bislang angenommen

L'articolo Datierung der Schöninger Speere auf 200.000 Jahre korrigiert proviene da Classicult.

]]>

Datierung der Schöninger Speere auf 200.000 Jahre korrigiert

Älteste vollständig erhaltene Jagdwaffen aus niedersächsischem Schöningen sind rund 100.000 Jahre jünger als bislang angenommen

Das niedersächsische Schöningen hat in der Archäologie Weltruf: Von hier stammt das eindrucksvollste Arsenal erhaltener Jagdwaffen der Altsteinzeit. Aufgrund der Bedeutung, die die Fundstelle für das Verständnis der Entwicklung der menschlichen Jagdbefähigung aufzeigt, wurde hier im Jahr 2013 das Forschungsmuseum „paläon“ errichtet. Zusammen mit Geo- und Umweltwissenschaftlern unterschiedlichster fachlicher Expertise haben Archäologen des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA) und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) nun erstmals Altersdatierungen direkt an Fundmaterial aus dem sogenannten Speer-Horizont in Schöningen vorgelegt. Auch das Geographische Institut der JGU war an den Arbeiten beteiligt. Die neuen Daten zeigen, dass das Alter der berühmten Jagdwaffen nach einer früheren Korrektur von 400.000 Jahren auf 300.000 Jahre nun abermals um etwa 100.000 Jahre auf ein Alter von 200.000 Jahre zu korrigieren ist. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden kürzlich in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.

Arsenal neandertalerzeitlicher Jagdwaffen aus Schöningen in Niedersachsen: Speere (links) und beidendig zugespitzte Stöcke (rechts) aus dem Speer-Horizont in Schöningen mit Ergänzung fragmentarischer Stücke (Foto/©: MINKUSIMAGES, Christa Fuchs, Matthias Vogel / Mit freundlicher Genehmigung des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege) Arsenal of Neanderthal weaponry found at Schöningen in Germany: spears (left) and double-pointed sticks (right), likely for throwing, discovered at the Schöningen Spear Horizon, with reconstructed fragments (photo/©: MINKUSIMAGES, Christa Fuchs, Matthias Vogel / With kind permission of Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege)
Arsenal neandertalerzeitlicher Jagdwaffen aus Schöningen in Niedersachsen: Speere (links) und beidendig zugespitzte Stöcke (rechts) aus dem Speer-Horizont in Schöningen mit Ergänzung fragmentarischer Stücke (Foto/©: MINKUSIMAGES, Christa Fuchs, Matthias Vogel / Mit freundlicher Genehmigung des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege)

Einzigartige Erhaltungsbedingungen haben in Schöningen die Überlieferung von hölzernen Speeren und anderen Geräten aus Holz begünstigt, vergesellschaftet mit Resten der Jagdbeute, die vornehmlich aus Pferden bestand. Zum Zeitpunkt der Entdeckung der ersten Speere Mitte der 1990-er Jahre wurde das Alter der Funde zunächst auf rund 400.000 Jahre geschätzt, später auf etwa 300.000 Jahre korrigiert. Diese Annahmen basierten auf den Altersabschätzungen über- und unterliegender Schichten, nicht aber auf Daten unmittelbar aus dem fundführenden Speer-Horizont selbst. Aufgrund dieser Unsicherheiten wurden über viele Jahre hinweg voneinander abweichende Altersansätze diskutiert.

Archäolog*innen des LEIZA und der JGU haben gemeinsam mit weiteren Expert*innen erstmals Altersdatierungen direkt aus der Fundschicht der Schöninger Speere vorgelegt. (Foto/©: Aritza Villaluenga) For the first time, archaeologists from the Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) and Mainz University, together with other experts, have presented age dating directly from the layer containing the Schöningen spears in their study. (photo/©: Aritza Villaluenga)
Datierung der Schöninger Speere auf 200.000 Jahre korrigiert. Älteste vollständig erhaltene Jagdwaffen aus niedersächsischem Schöningen sind rund 100.000 Jahre jünger als bislang angenommen. Archäolog*innen des LEIZA und der JGU haben gemeinsam mit weiteren Expert*innen erstmals Altersdatierungen direkt aus der Fundschicht der Schöninger Speere vorgelegt. (Foto/©: Aritza Villaluenga)

Verfeinertes Analyseverfahren führt zu neuer Altersabschätzung

Zentral für den neuen Altersansatz ist ein von der Forschungsgruppe um Prof. Kirsty Penkman an der University of York in England im Rahmen ihres EQuaTe-Projekts in den letzten Jahren verfeinertes Analyseverfahren der sogenannten Aminosäure-Racemisierung. Dieses biochemische Analyseverfahren macht sich den Umstand zunutze, dass Aminosäuren in zwei spiegelbildlichen Formen auftreten können: linksdrehend und rechtsdrehend, basierend auf der Anordnung der Molekülbindungen. In lebenden Organismen dominiert deutlich die linksdrehende L-Form. Nach dem Tod eines Organismus findet über den Prozess der Racemisierung eine langsame Angleichung der Konzentration der Molekülbindungen mit L-Form statt, sie wird also in die rechtsdrehende D-Form umgewandelt, bis beide Formen in gleichen Anteilen vorliegen. Damit lässt sich aus dem Verhältnis von L- und D-Formen auf das Probenalter schließen.

In Schöningen wurde der Grad der Racemisierung aus den Verschlusskapseln kleiner Süßwasserschnecken der Gattung Bithynia ermittelt. Dafür wurden die sogenannten Opercula, deckelartige oder plattenartige Strukturen, die die Schnecken vor Austrocknung schützen, untersucht. In diesen Kalkverbindungen können sich Aminosäuren über Jahrtausende erhalten. Die im Rahmen der jetzt vorgelegten Studie untersuchten Proben stammen aus Sedimentblöcken, die im Zuge erster, großflächiger Ausgrabungen in Schöningen geborgen worden waren. Weiteres Probenmaterial, dessen Racemisierung in der aktuellen Studie untersucht wurde, umfasst Pferdezähne und die Schalen kleiner Muschelkrebse, die zusammen das vergleichsweise junge Alter des Fundplatzes unterstreichen.

Im Sediment des Speer-Horizonts sind unter anderem kleine Süßwasserschnecken der Gattung Bithynia enthalten, deren Verschlusskapseln (Opercula) für die Studie biochemisch analysiert wurden. (Foto/©: Ellie Nelson) The sediment of the Spear Horizon contains small freshwater snails of the genus Bithynia. Their opercula were biochemically analyzed for the study. (photo/©: Ellie Nelson)
Datierung der Schöninger Speere auf 200.000 Jahre korrigiert. Älteste vollständig erhaltene Jagdwaffen aus niedersächsischem Schöningen sind rund 100.000 Jahre jünger als bislang angenommen. Im Sediment des Speer-Horizonts sind unter anderem kleine Süßwasserschnecken der Gattung Bithynia enthalten, deren Verschlusskapseln (Opercula) für die Studie biochemisch analysiert wurden. (Foto/©: Ellie Nelson)

Beitrag zum Verständnis der menschlichen Evolution

Der jüngere Altersansatz schmälert die Bedeutung der Schöninger Funde in keiner Weise. Vielmehr betonen die neuen Befunde den Beitrag der Fundstelle für das Verständnis der menschlichen Verhaltensevolution. Mit dem korrigierten Alter ist Schöningen nun in die Mittlere Altsteinzeit, das Mittelpaläolithikum, und die Zeit früher Neandertaler zu stellen. Abseits der Speere sticht auch der Nachweis der Jagd an diesem Fundplatz gegenüber älteren Fundplätzen hervor. Über den gesamten Jahreszyklus verteilt waren in Schöningen entlang des Ufersaums eines ehemaligen Sees wiederholt kleinere Gruppen von Pferden erlegt worden – insgesamt mehr als 50 Tiere, wie im Rahmen eines vorausgegangenen Projekts des MONREPOS Archäologischen Forschungszentrums und Museums für menschliche Verhaltensevolution, einem bei Neuwied gelegenen Standort des LEIZA, nachgewiesen werden konnte.

Die spezialisierte Bejagung vornehmlich einer Tierart ist in ganz Europe erst seit rund 200.000 bis 250.000 Jahren belegt. Mit der jetzt vorliegenden Datierung reiht sich Schöningen in verschiedene Nachweise anderer Fundstellen ein, die eine markante Steigerung der Jagdbefähigung erkennen lassen. Nach Auskunft der Autoren der Studie war die spezialisierte Bejagung kleinerer Gruppen vornehmlich einer Tierart erfolgversprechender als andere Jagdstrategien. Auch lassen diese Befunde auf wohlkoordinierte Jagdtrupps schließen, in denen die teilnehmenden Individuen aufeinander abgestimmte, klar definierte Aufgaben übernahmen, um den erfolgreichen Ausgang der Jagd zu gewährleisten. Der Grad beziehungsweise die „Qualität“ menschlicher Kooperation erreichte vor 200.000 Jahren offenbar ein neues, höheres Niveau.

Veröffentlichung:

J. M. Hutson et al., Revised age for Schöningen hunting spears indicates intensification of Neanderthal cooperative behavior around 200,000 years ago, Science Advances 11: 19, 9 May 2025, DOI: DOI: 10.1126/sciadv.adv0752

Pressemitteilung des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA) und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)

L'articolo Datierung der Schöninger Speere auf 200.000 Jahre korrigiert proviene da Classicult.

]]>
https://www.classicult.it/de/datierung-der-schoeninger-speere-auf-200-000-jahre-korrigiert/feed/ 0
Visual Analytics für Bilder aus Kolonialen Kontexten (VABiKo) https://www.classicult.it/de/visual-analytics-fuer-bilder-aus-kolonialen-kontexten-vabiko/ https://www.classicult.it/de/visual-analytics-fuer-bilder-aus-kolonialen-kontexten-vabiko/?noamp=mobile#respond Wed, 30 Apr 2025 18:12:40 +0000 https://www.classicult.it/?p=303896 Neues Projekt „Visual Analytics für Bilder aus Kolonialen Kontexten“ (VABiKo) ist gestartet: Bildarchiv zu ehemaligen deutschen Kolonien wird mit KI erschlossen

L'articolo Visual Analytics für Bilder aus Kolonialen Kontexten (VABiKo) proviene da Classicult.

]]>
Bildarchiv zu ehemaligen deutschen Kolonien wird mit KI erschlossen // Neues Projekt „Visual Analytics für Bilder aus Kolonialen Kontexten“ (VABiKo) ist gestartet: eine DFG-finanzierte Kooperation der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main und der Philipps-Universität Marburg

FRANKFURT. Das zentrale historische Bildarchiv der deutschen kolonialen und kolonialrevisionistischen Bewegungen ist einer der größten fotografischen Bestände dieser Art und spielt eine wichtige Rolle in der Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte. Dieses Bildarchiv wird jetzt durch automatisierte Bildanalyseverfahren und Deep-Learning-Methoden in einem öffentlichen Internetportal zugänglich gemacht. Die Verortung in sowohl kolonialen als auch in NS-Kontexten erfordert eine historisch bewusste und ethisch verantwortungsvolle Annäherung.

Der heute noch existierende Bildbestand der „Deutschen Kolonialgesellschaft“ (1887 – 1936) und nachfolgender Propagandaorganisationen wie des „Reichskolonialbundes“ (1933 – 1943) umfasst ca. 45.000 Bildträger. Diese wurden Ende der 1940er-Jahre an die Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt übergeben. Aus Sicht der ursprünglich sammelnden Institutionen bezogen sich viele Bildthemen auf die angeblich kulturelle und wirtschaftliche „Erschließung“ der deutschen Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent, in Ozeanien und China. Ebenso in der Bildsammlung vertreten sind allerdings auch andere europäische und außereuropäische Gebiete. Ende der 1990er-Jahre war dies der erste fotografische Bestand aus kolonialen Kontexten in Deutschland, der digitalisiert und online präsentiert wurde. Anfang der 2000er-Jahre wurde er durch weitere Bildbestände wie die der Sam Cohen Library in Swakopmund, Namibia erweitert. Aufgrund der unzureichenden Metadaten war der Zugang für Forschende bisher stark eingeschränkt.

Um die Zugangsmöglichkeiten grundlegend neu zu denken, wurde das Projekt „Visual Analytics für Bilder aus Kolonialen Kontexten“ (VABiKo) ins Leben gerufen. Das Projekt ist eine Kooperation der Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg in Frankfurt am Main und der Arbeitsgruppe „Multimodale Modellierung und Maschinelles Lernen“ (Prof. Ralph Ewerth) der Philipps-Universität Marburg. Es wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für vorläufig drei Jahre finanziert. Das Projekt zielt darauf ab, die Nutzungsmöglichkeiten durch semi-automatische Erschließung und zusätzliche Metadaten zu verbessern. Dies umfasst sowohl erweiterte Such- als auch Präsentationsmöglichkeiten, wie beispielsweise vereinfachte Durchsuchbarkeit mithilfe von Deep-Learning gestützter Bildanalyse und interaktiven Zeit-Raum-Visualisierungen. Zudem ermöglicht die Automatisierungen es, den Bildbestand mit Illustrationen in Publikationen aus kolonialen Kontexten zu vergleichen. Ursprüngliche Verwendungszusammenhänge und Instrumentalisierungen werden somit deutlich. Durch die automatische Erkennung wiederkehrender Bildmuster mit Bezug auf Personen, Objekte und Orte sollen unter anderem die Entstehungsorte der Fotografien auf Landkarten mit einer zusätzlichen Zeitschiene angezeigt werden können. Eine allgemein verbesserte Datenhaltung wird die Nachhaltigkeit des Projekts auch für zukünftige Generationen von Nutzern sicherstellen.

Das so entstehende mehrsprachige Internetportal soll Ende 2027 öffentlich zugänglich sein und die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte unterstützen. Der Bestand enthält Darstellungen verschiedener Formen von Gewalt innerhalb eines Machtgefälles zwischen Kolonisierenden und Kolonisierten. Darum werden ethische Fragen der Präsentation und Nutzung im Austausch mit Kolleg*innen, Forschenden und Interessenvertreter*innen aus den Herkunftsländern der Fotografien abgestimmt. Trotz der ursprünglich propagandistischen Verwendungszusammenhänge besitzen die Fotografien großes Potenzial für Neuinterpretationen durch die genannten Interessengruppen. Angestrebt wird eine Balance zwischen transparenter Erschließung und der respektvollen Annäherung an die fotografierten Personen.

Lüderitzbucht Lüderitz Bay 1900
Lüderitzbucht um 1900. Erste koloniale Erwerbung des Deutschen Kaiserreiches. Gemeinfrei, Autor/-in unbekannt

Über die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg (UB JCS)
Die Universitätsbibliothek JCS zählt mit ihren umfangreichen Beständen und Sammlungen zu den bedeutendsten wissenschaftlichen Bibliotheken Deutschlands. Sie vereinigt in sich die Funktionen einer Universitätsbibliothek mit zahlreichen Landesaufgaben, einer wissenschaftlichen Bibliothek für die Stadt Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet sowie einer Schwerpunktbibliothek innerhalb der überregionalen Literatur- und Informationsversorgung. Link:
https://www.ub.uni-frankfurt.de/

Über die Arbeitsgruppe Multimodale Modellierung und Maschinelles Lernen (Prof. Ralph Ewerth) an der Philipps-Universität Marburg
Die Arbeitsgruppe von Prof. Ewerth am Fachbereich Mathematik und Informatik der Philipps-Universität wurde im April 2025 gegründet. Es handelt sich um eine von drei neu geschaffenen KI-Professuren, die gemeinsam mit den Hessischen Zentrum für Künstliche Intelligenz (hessian.AI) geschaffen wurden. Die Arbeitsgruppe konzentriert sich auf die Entwicklung und Verbesserung maschineller Lernverfahren zur Analyse von Bildern, Videos und multimodalen Informationen. Ein weiterer Fokus liegt auf Verfahren zur Verbesserung von (multimodalen) Suchmaschinen unter Nutzung von generativen KI-Modellen sowie auf interdisziplinären Anwendungen.

 

Pressemitteilung von der Goethe-Universität Frankfurt am Main

L'articolo Visual Analytics für Bilder aus Kolonialen Kontexten (VABiKo) proviene da Classicult.

]]>
https://www.classicult.it/de/visual-analytics-fuer-bilder-aus-kolonialen-kontexten-vabiko/feed/ 0
Feuer in der Eiszeit: Belege aus dem Epigravettien von Korman‘ 9, mittleres Dnister-Tal, Ukraine https://www.classicult.it/de/feuer-in-der-eiszeit-belege-aus-dem-epigravettien-von-korman-9-mittleres-dnister-tal-ukraine/ https://www.classicult.it/de/feuer-in-der-eiszeit-belege-aus-dem-epigravettien-von-korman-9-mittleres-dnister-tal-ukraine/?noamp=mobile#respond Mon, 14 Apr 2025 20:37:14 +0000 https://www.classicult.it/?p=301389 Feuer in der Eiszeit: Belege aus dem Epigravettien von Korman' 9, mittleres Dnister-Tal, Ukraine; eine Studie veröffentlicht in Geoarchaeology

L'articolo Feuer in der Eiszeit: Belege aus dem Epigravettien von Korman‘ 9, mittleres Dnister-Tal, Ukraine proviene da Classicult.

]]>
Ausgeklügelte Pyrotechnik in der Eiszeit: So machten Menschen vor zehntausenden Jahren Feuer

Unterschiede zwischen den Feuerstellen deuten auf eine ausgefeilte Nutzung hin

Egal ob zum Kochen, Wärmen, als Lichtquelle oder zum Herstellen von Werkzeugen – bisher wird angenommen, dass Feuer für die Menschen in der Eiszeit überlebensnotwendig war. Rätselhaft ist jedoch, dass bisher kaum gut erhaltene Belege für Feuerstellen aus dem kältesten Abschnitt der Eiszeit in Europa gefunden wurden. Eine Gruppe von Wissenschafter*innen unter Leitung der Universität der Algarve und der Universität Wien konnte nun etwas Licht in das Rätsel um das Eiszeit-Feuer bringen. Ihre Analyse von drei Feuerstellen an einer prähistorischen Fundstätte in der Ukraine zeigt: Die Menschen der letzten Eiszeit bauten verschiedene Feuerstellen und benutzten vor allem Holz, möglicherweise aber auch Knochen und Fett zum Befeuern. Die Ergebnisse wurden aktuell im Fachmagazin Geoarchaeology veröffentlicht.

Feuer Eiszeit Abb. 1: Profil durch die große Feuerstelle 1. C: Philip R. Nigst fire Ice Age Fig. 1: Section through the large fireplace 1. C: Philip R. Nigst
Abb. 1: Profil durch die große Feuerstelle 1. C: Philip R. Nigst

Archäologische Untersuchungen zeigen: Die Menschen in der Altsteinzeit in Europa nutzten vor 45.000 bis 10.000 Jahren das Feuer auf verschiedene Weise.

„Beim Feuer ging es nicht nur darum, sich warm zu halten; es war auch für das Kochen, die Herstellung von Werkzeugen und für gesellige Zusammenkünfte unerlässlich“,

sagt Philip R. Nigst, einer der leitenden Autor*innen und Archäologe an der Universität Wien. Oft wurde also angenommen, dass Feuer für das Überleben der Jäger*innen und Sammler*innen im eiszeitlichen Europa unerlässlich war. Erstaunlicherweise gibt es aber kaum gut erhaltene Belege für die Nutzung von Feuer aus dem kältesten Abschnitt der Eiszeit – also vor 26.500 bis vor 19.000 Jahren – in Europa. „

Wir wissen zwar, dass Feuer vor und nach diesem Zeitraum weit verbreitet war, aber es gibt kaum Belege aus der Zeit des Höhepunkts der Eiszeit“, schildert William Murphree, Hauptautor der Studie und Geoarchäologe an der Universität der Algarve.

Abb. 2: Die große Feuerstelle während der Ausgrabung. C: Philip R. NigstFig. 2: The large fireplace 1 during the excavation. C: Philip R. Nigst
Abb. 2: Die große Feuerstelle während der Ausgrabung. C: Philip R. Nigst

Umso bedeutender ist die aktuelle Studie, denn die Wissenschafter*innen haben drei von ihnen entdeckte Feuerstellen an einer prähistorischen Fundstätte in der Ukraine genau analysiert. Das gelang mithilfe einer Reihe innovativer geoarchäologischer Techniken. Durch mikrostratigraphische Analyse, Mikromorphologie und kolorimetrische Analyse identifizierte das Team drei einfache flache, mit Holz befeuerte Feuerstellen. Ein interessanter Befund daraus: Diese Feuer erreichten Temperaturen von mehr als 600 °C, was eine ausgeklügelte Beherrschung der Pyrotechnik selbst angesichts extremer Umweltbelastungen beweist.

Die Analyse zeigt auch, dass Menschen in der Zeit des Höhepunkts der Eiszeit Holz als Hauptbrennstoff verwendeten, Holzkohleanalysen weisen auf Fichtenholz hin. Aber auch andere Brennstoffe wie Knochen oder Fett könnten verwendet worden sein.

„Einige der an der Fundstätte gefundenen Tierknochen wurden in einem Feuer mit einer Temperatur von über 650 Grad Celsius verbrannt. Wir untersuchen derzeit, ob sie als Brennstoff verwendet wurden oder nur versehentlich verbrannt sind“,

erklärt Marjolein D. Bosch, eine der Autor*innen und Archäozoologin an der Universität Wien, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem Naturhistorischen Museum Wien.

Abb. 3: Ausgrabungsstelle Korman' 9 am Ufer des Flusses Dnister in der Ukraine. C: Philip R. NigstFig. 3: Excavation site Korman' 9 located at the shore of the Dnister river in Ukraine. C: Philip R. Nigst
Abb. 3: Ausgrabungsstelle Korman‘ 9 am Ufer des Flusses Dnister in der Ukraine. C: Philip R. Nigst

Alle drei Feuerstellen sind offene und flache Feuerstellen. Die neuen Ergebnisse deuten aber auf eine ausgeklügelte Nutzung des Feuers hin, denn die Feuerstellen dürften in unterschiedlichen Jahreszeiten gebaut und auch unterschiedlich genutzt worden sein. Eine der drei Feuerstellen ist etwa größer und dicker, hier wurden vermutlich höhere Temperaturen erzielt.

„Die Menschen kontrollierten das Feuer perfekt und wussten es auf verschiedene Weise zu nutzen – je nach Zweck des Feuers. Aber unsere Ergebnisse zeigen auch, dass diese Jäger*innen und Sammler*innen während ihrer jährlichen Wanderungen denselben Ort zu verschiedenen Jahreszeiten nutzten“, erklärt Nigst.

Trotz dieser neuen Erkenntnisse bleibt die geringe Anzahl an Feuerstellen aus der Zeit des letzten Eiszeitmaximums rätselhaft.

„Wurden die meisten Beweise durch das für die Eiszeit typische, wechselnde Auftauen und Zufrieren des Bodens zerstört?“, fragt Murphree. „Oder haben die Menschen während des letzten Eiszeitmaximums nicht genug Brennstoff gefunden? Haben sie kein Feuer benutzt, sondern sich stattdessen auf andere technologische Lösungen verlassen?“,

ergänzt Nigst. Indem sie die Rolle des Feuers in der menschlichen Evolution weiter aufdecken, hoffen die Forscher*innen, Licht in eine der wohl grundlegendsten Technologien zu bringen, die den Erfolg unserer Spezies bei der Besiedlung jedes einzelnen Teils dieses Planeten mitgeprägt hat.

Abb. 4: Die große Feuerstelle 1 unter 2,5 Meter Lößsedimenten. C: Philip R. NigstFig. 4: The large fireplace 1 covered by 2.5 metres of loess sediments. C: Philip R. Nigst
Abb. 4: Die große Feuerstelle 1 unter 2,5 Meter Lößsedimenten. C: Philip R. Nigst

Veröffentlichung:

William Chase Murphree, Cruz Ferro‐Vázquez, Larissa Kulakovska, Vitalii I. Usyk, Olesia Kononenko, Marjolein D. Bosch, Paul Haesaerts, Freddy Damblon, Stéphane Pirson, Philip R. Nigst & Vera Aldeias: Fire use during the Last Glacial Maximum: evidence from the Epigravettian at Korman‘ 9, Middle Dniester Valley, Ukraine, in Geoarchaeology, 40(2), e70006, 2025, DOI: 10.1002/gea.70006

Pressemitteilung der Universität Wien.

L'articolo Feuer in der Eiszeit: Belege aus dem Epigravettien von Korman‘ 9, mittleres Dnister-Tal, Ukraine proviene da Classicult.

]]>
https://www.classicult.it/de/feuer-in-der-eiszeit-belege-aus-dem-epigravettien-von-korman-9-mittleres-dnister-tal-ukraine/feed/ 0