Das AutArch-Projekt: Archäologie im Zeitalter von Big Data

KI-gestützte Software „AutArch“ extrahiert automatisch Daten aus archäologischen Zeichnungen und Fotografien / In Bibliotheken aufbewahrte Funde tragen zu digitaler Revolution in der Archäologie bei

Beispiel für die Objekterkennung: Fundstätte Vliněves (Tschechische Republik) aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. (© Klein et al. 2025) Example of the object detection result for one page of catalogue (here: third millennium BC site of Vliněves, Czech Republic). Copyright: Klein et al. 2025
Beispiel für die Objekterkennung: Fundstätte Vliněves (Tschechische Republik) aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. (© Klein et al. 2025)

Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben gemeinsam mit internationalen Partnern eine Software namens „AutArch“ entwickelt, um alte archäologische Sammlungen neu zu erschließen. Die Software nutzt die Leistungsfähigkeit von Künstlicher Intelligenz und Big Data und könnte die archäologische Datenanalyse revolutionieren. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden kürzlich im renommierten Wissenschaftsmagazin Journal of Archaeological Science veröffentlicht. AutArch ist als Open-Source-Software auf GitHub und Zenodo verfügbar.

AutArch findet und korreliert Informationen in Katalogen

Archäologinnen und Archäologen stehen oft vor großen Herausforderungen, wenn sie versuchen, neue Entdeckungen mit Informationen aus alten Büchern zu verknüpfen: Wie lassen sich die Erkenntnisse aus 200 Jahren archäologischer Forschung mit neuen Daten kombinieren? AutArch eröffnet hier gänzlich neue Wege. Die Basis bilden Neuronale Netze, die von den Forschenden darauf trainiert wurden, gängige archäologische Objekte wie Gräber, menschliche Überreste, Keramik und Steinwerkzeuge selbstständig zu erkennen, zu analysieren und miteinander in Beziehung zu setzen. AutArch kann gesuchte Daten also nicht nur aufspüren, sondern sie auch kombinieren, um aussagekräftige Informationen zu extrahieren.

„Bei der Analyse eines Grabes beispielsweise detektiert die Software den Nordpfeil und den angegebenen Maßstab – und kann daraus die tatsächliche Größe des Grabes und seine Ausrichtung errechnen“,

konkretisiert Dr. Maxime Brami, der das Projekt an der JGU leitet. Archäologinnen und Archäologen können auf diese Weise riesige Mengen an Daten, die über verschiedene Publikationen und Museen verteilt sind, automatisch auswerten lassen. So können sie spezifische Fragen zur Vergangenheit beantworten und diese Informationen mit modernen Daten vergleichen, beispielsweise mit 3-D-Scans von Artefakten in Museumssammlungen.

„Bisher mussten Forschende jede einzelne dieser Informationen manuell extrahieren, Bilder passend ausrichten und neu formatieren“,

erklärt der Erstautor der Studie Kevin Klein, der die Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie an der JGU als Softwareentwickler unterstützt. AutArch automatisiert den gesamten Prozess. Obwohl dafür eine KI zum Einsatz kommt, ist AutArch keine Black Box: Eine benutzerfreundliche Oberfläche ermöglicht es Forschenden, die automatisch extrahierten Daten zu überprüfen und anzupassen, Genauigkeit und Nachvollziehbarkeit sind also stets gewährleistet.

Die Ausrichtung von Verstorbenen im Grab lässt sich aus Grabzeichnungen ableiten. Beispielsweise wurden Männer und Frauen im 3. Jahrtausend v. Chr. in Mitteleuropa vielfach in entgegengesetzter Richtung bestattet. Dies lässt sich anhand von 100 Schnurkeramikgräbern und 66 Glockenbechergräbern mit Skeletten aus der Tschechischen Republik zeigen, die mit AutArch analysiert wurden. (© Klein et al. 2025) Burial orientations can be automatically retrieved from grave drawings. For instance, archaeological cultures from the third millennium BC in Central Europe buried men and women in opposite directions. This can be shown for 100 Corded Ware graves and 66 Bell Beaker graves with skeletons that have a discernible orientation from the Czech Republic analysed with AutArch. Copyright: Klein et al. 2025
Das AutArch-Projekt: Eine KI-gestützte Software extrahiert automatisch Daten aus archäologischen Zeichnungen und Fotografien. Die Ausrichtung von Verstorbenen im Grab lässt sich aus Grabzeichnungen ableiten. Beispielsweise wurden Männer und Frauen im 3. Jahrtausend v. Chr. in Mitteleuropa vielfach in entgegengesetzter Richtung bestattet. Dies lässt sich anhand von 100 Schnurkeramikgräbern und 66 Glockenbechergräbern mit Skeletten aus der Tschechischen Republik zeigen, die mit AutArch analysiert wurden. (© Klein et al. 2025)

Breite Anwendung und Skalierung der Software

AutArch ist skalierbar und kann somit den Anforderungen des stetig wachsenden Forschungsfelds der Digital Humanities  gerecht werden. Paläolithiker Antoine Muller, Postdoc an der Universität Bergen und einer der Autoren der Studie, erklärt:

„Die Methodik ist auf praktisch jedes Material anwendbar, solange Form, Größe oder Ausrichtung eines Objekts eine technologische, funktionale oder zeitliche Bedeutung haben.“

Die Software lässt sich nicht nur auf jedes Material anwenden, sondern wächst auch mit den steigenden Anforderungen mit.

„Diese Entwicklung stellt einen wichtigen Fortschritt bei der Anwendung Künstlicher Intelligenz in der archäologischen Forschung dar“, resümiert Brami. „Sie hat das Potenzial, den Datenzugriff und die Datenanalyse grundlegend zu verändern.“

AutArch kann auch die Umrisse von Artefakten aus Katalogen extrahieren, beispielsweise von Pfeilspitzen. Auf diese Weise ermöglicht die Software verschiedene Formanalysen. (© Klein et al. 2025) The AutArch workflow can also extract the outline of artefacts from catalogues, such as arrowheads, allowing for various shape analyses. Copyright: Klein et al. 2025
AutArch kann auch die Umrisse von Artefakten aus Katalogen extrahieren, beispielsweise von Pfeilspitzen. Auf diese Weise ermöglicht die Software verschiedene Formanalysen. (© Klein et al. 2025)

Das AutArch-Projekt ist ein interdisziplinäres Gemeinschaftsprojekt von Informatikerinnen und Informatikern und Archäologinnen und Archäologen aus ganz Europa. Prof. Dr. Ralf Lämmel, Informatiker der Universität Koblenz, betreute beispielsweise die Implementierung der maschinellen Lernverfahren und die statistische Validierung der Ergebnisse. Initiiert wurde das Projekt von Dr. Maxime Brami mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit weitergehender Förderung durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union.

AutArch ist als Open-Source-Software auf GitHub und Zenodo verfügbar:
https://zenodo.org/records/15369892
https://github.com/kevin-klein/autarch

Veröffentlichung:

K. Klein et al., An AI-assisted workflow for object detection and data collection from archaeological catalogues, Journal of Archaeological Science, 3. Juni 2025, DOI: 10.1016/j.jas.2025.106244

Pressemitteilung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz – JGU

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