Die luwische Kultur tritt in Erscheinung

Zur Zeit des Trojanischen Krieges, um 1200 v. Chr., bedeckte ein dichtes Netz blühender Siedlungen die Westtürkei. Dies ist das Ergebnis einer umfassenden Studie, die vor zwölf Jahren begann und heute veröffentlicht wird.

Luwian Culture on the map Die luwische Kultur tritt in Erscheinung
Die luwische Kultur tritt in Erscheinung (Luwian Studies #0109)

Zürich, 31. August 2022 – Ein Team bestehend aus Schweizer und türkischen Archäologen hat die Ergebnisse von 33 Ausgrabungen und 30 archäologischen Untersuchungen im Westen der Türkei ausgewertet und auf dieser Grundlage 477 große Siedlungsplätze identifiziert, die für mindestens 1.000 Jahren, in einigen Fällen sogar für 5.000 Jahre, bewohnt waren. Die wissenschaftliche Publikation ist heute erschienen. Sie wird von einer gefalteten
topographischen Karte begleitet, auf der die ehemaligen Siedlungen eingezeichnet sind.

Bislang galt das westliche Kleinasien während der Mittleren und Späten Bronzezeit (2000-1180 v. Chr.) als politisch und wirtschaftlich unbedeutend. Die neue Untersuchung bestätigt nun eine 2016 veröffentlichte Theorie, nach der die Siedlungen in der Region der bisher kaum beachteten luwischen Kultur – mit eigener Sprache und Schrift – zugeordnet werden könnten.

Im Nordwesten der Türkei, direkt am Eingang zu den Dardanellen, lag Troja, die legendäre Stadt, die zwischen 1190 und 1180 v. Chr. einem feindlichen Überfall zum Opfer fiel. Homer zufolge kämpfte ein vereinigtes Heer der mykenischen Kleinkönigreiche gegen Troja und dessen verbündete Nachbarn. Homer führt die Kontingente auf beiden Seiten auf.
Auf der Seite Trojas standen Heere aus einem gewaltigen Einzugsgebiet, das sich vom Fluss Axios in Nordgriechenland über Thrakien entlang der gesamten ägäischen Küste Anatoliens und bis zum Schwarzen Meer erstreckte. Die Kulturen dieser Regionen sind allerdings bisher kaum systematisch erforscht worden. Nach Ansicht der Wissenschaftler, die hinter der aktuellen Studie stehen, könnte dieser Umstand dazu beigetragen haben, dass die Kette der Ereignisse, die zum plötzlichen Untergang der bronzezeitlichen Kulturen führten, bisher nicht zufriedenstellend erklärt werden konnte.

Die Forscher Eberhard Zangger, Alper Aşınmaz und Serdal Mutlu konnten mithilfe eines Geografischen Informationssystems (GIS) und unter Berücksichtigung von 30 physiogeografischen Faktoren für jeden der mittel- und spätbronzezeitlichen Siedlungsplätze ermitteln, welche Faktoren bei der Standortwahl berücksichtigt wurden. Die Nähe zu fruchtbarem Ackerland und die Verfügbarkeit von Trinkwasser waren besonders wichtig. Ein
Drittel der Siedlungen lag weniger als vier Kilometer von einer möglichen Straße entfernt.
Erzvorkommen sind in der Region reichlich vorhanden, aber ihre Lage hatte keinen Einfluss auf das Siedlungsmuster.

Der Geoarchäologe Eberhard Zangger sagt: „Unser heutiges Wissen über die spätbronzezeitlichen Kulturen im nordöstlichen Mittelmeerraum misst den Mykenern in Griechenland und den Hethitern in Zentralkleinasien große Bedeutung bei. Über die Luwier, die zwischen diesen beiden Machtzentren lebten, wissen wir hingegen noch viel zu wenig. Durch eine umfassende Auswertung und Synthese der zumeist in türkischer Sprache veröffentlichten Einzelstudien hoffen wir, zu einem besseren Verständnis dieser Region in jener Zeit beizutragen.“

Die Forscher sprechen auch die möglichen Konsequenzen der neuen Ergebnisse an. Demzufolge nutzten die Kleinstaaten in Westanatolien eine Phase um 1192 v. Chr., als das hethitische Königshaus durch innere Unruhen geschwächt war. Durch ein Militärbündnis und den unbemerkten Aufbau einer Flotte versuchten die luwischen Länder, Zypern aus der hethitischen Vorherrschaft zu befreien. Nachdem ihnen dies rasch gelungen war, fuhren sie
weiter an die Küste Nordsyriens, um die dort ansässigen hethitischen Verbündeten zu überfallen und das Reich Hatti so zu schwächen. Am Ende dieser Serie von Zerstörungen stand der vollständige Untergang des hethitischen Reiches. Hinter den bislang rätselhaften sogenannten Seevölkern, denen die Überfälle jener Zeit zugeschrieben werden, verbirgt sich demnach letztlich ein zeitweises Bündnis westanatolischer Kleinstaaten.

 

Middle and Late Bronze Age Western Asia Minor: A Status Report
Eberhard Zangger, Alper Aşınmaz, and Serdal Mutlu
In: The Political Geography of Western Anatolia in the Late Bronze Age, Ivo Hajnal, Eberhard Zangger und Jorrit Kelder (Hg.), 2022
Archaeolingua Series Minor 45, 39–180, Archaeolingua, Budapest
ISBN 978-615-5766-54-1

Die luwische Kultur tritt in Erscheinung: Pressemitteilung von Luwian Studies.

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