Spuren für Kannibalismus vor 18.000 Jahren aus der Maszycka-Höhle

Forschende analysieren Manipulationsspuren an menschlichen Überresten aus der Maszycka-Höhle

The entrance to the Maszycka Cave in southern Poland. Photo Credits: Darek Bobak
Der Eingang zur Maszycka-Höhle. Foto: Darek Bobak

Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Universität Göttingen hat neue Erkenntnisse zum Bestattungsritual späteiszeitlicher Gesellschaften in Mitteleuropa gewonnen. Manipulationsspuren an menschlichen Überresten aus der Maszycka-Höhle in Südpolen deuten auf eine systematische Zerlegung der Verstorbenen und Kannibalismus hin. Die Ergebnisse der Forschung sind in der Fachzeitschrift Scientific Reports erschienen.

Die Maszycka-Höhle in Polen ist eine bedeutende Fundstätte aus der späten Altsteinzeit. Bereits vor über 100 Jahren entdeckten Forschende dort zwischen Steingeräten, Knochenspitzen und Jagdbeuteresten eiszeitlicher Tiere auch Menschenknochen. Diese Funde wurden mit dem sogenannten Magdalénien in Frankreich in Verbindung gebracht; eine späteiszeitliche Gesellschaft, die vor etwa 20.000 bis 14.500 Jahren existierte. Grabungen der 1960er Jahre lieferten weitere menschliche Überreste, sodass insgesamt 63 Knochen von zehn Individuen aus der Zeit vor 18.000 Jahren für die Untersuchung zur Verfügung standen. Es handelt sich um eine der bedeutendsten Sammlungen menschlicher Überreste aus der späten Eiszeit.

Cut and impact marks indicating cannibalism on various human parts of the skeleton from the Maszycka Cave. Credits: Antonio Rodríguez-Hidalgo IAM (CSIC-Junta de Extremadura)
Schnitt- und Schlagspuren, die auf Kannibalismus hindeuten, finden sich an verschiedenen menschlichen Skelettteilen aus der Maszycka-Höhle. Foto: Antonio Rodríguez-Hidalgo IAM (CSIC-Junta de Extremadura)

Das Team identifizierte mit modernen Methoden in 36 Fällen Spuren, die auf eine Zerlegung der Individuen unmittelbar nach ihrem Tod hindeuten. Schnittspuren an Schädelfragmenten zeugen vor einer Abtrennung von Muskelansätzen und der Kopfhaut, während lange Knochen zerschlagen wurden, um an das Knochenmark zu gelangen. Erstautor Francesc Marginedas vom Catalan Institute of Human Paleoecology and Social Evolution erklärt:

„Die Position und Häufigkeit der Schnittspuren sowie die gezielte Zerschlagung von Knochen lassen keinen Zweifel, dass hier nahrhafte Bestandteile der Toten gewonnen werden sollten.“

Aber wie kam es zu dem Kannibalismus? Das Magdalénien ist bekannt für seine eindrucksvollen Kunstwerke – wie zum Beispiel die berühmten Höhlenmalereien von Lascaux.

„Die vielfältigen künstlerischen Zeugnisse weisen auf günstige Lebensbedingungen in dieser Zeit hin. Daher erscheint es unwahrscheinlich, dass der Kannibalismus aus Not praktiziert wurde“, so Prof. Dr. Thomas Terberger vom Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Universität Göttingen. Marginedas ergänzt: „Es ist möglich, dass es sich um Gewaltkannibalismus handelt. Nach dem Kältemaximum der letzten Eiszeit kam es zu einem Bevölkerungswachstum, und das kann zu Konflikten um Ressourcen und Territorien geführt haben. Und Kannibalismus ist vereinzelt bereits im Zusammenhang mit Gewaltkonflikten bezeugt. Außerdem sind in der Maszycka-Höhle menschliche Überreste mit Siedlungsabfall vermischt, was auf keinen respektvollen Umgang mit den Toten hindeutet.“

The 18,000-year-old discoveries from the Maszycka Cave include decorated hunting tools made of bone and antler. Credits: Darek Bobak
Spuren für Kannibalismus vor 18.000 Jahren aus der Maszycka-Höhle; die Forschung ist in der Fachzeitschrift Scientific Reports erschienen. Unter den 18.000 Jahre alten Funden aus der Maszycka Höhle sind auch einige, teilweise verzierte Geschoss-Spitzen aus Knochen und Geweih erhalten. Foto: Darek Bobak

Die Ergebnisse helfen, die kulturelle Entwicklung und die gruppendynamischen Prozesse in der späteiszeitlichen Gesellschaft besser zu verstehen.

Originalveröffentlichung:

Francesc Marginedas et al. New insights of cultural cannibalism amongst Magdalenian groups at Maszycka Cave, Poland, Scientific Reports (2025), DOI: 10.1038/s41598-025-86093-w

Pressemitteilung des Universität Göttingen

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